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© Isabella-Anja Khom
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Boreout – Wie sich monotone Arbeit auf Psyche und Gesundheit auswirken kann

Wir alle kennen ihn: Den Montagsfrust. Die Symptome: Müdigkeit, schlechte Laune und keine Lust auf die Arbeit. Der Lichtblick: Kaum ist der Montag vorbei, bessert sich die Laune wieder. Wenn der Montagsfrust aber jede Woche bis Freitag andauert und der Gedanke an den Job Bauchschmerzen bereitet, ist das ein Warnzeichen. Denn wenn die Arbeit unglücklich macht, wirkt sich das längerfristig auf die psychische Gesundheit aus.

„Ich habe früher den Traum gehabt, etwas Sinnvolles zu machen. Jetzt ist alles anders“. Ena* ist in ihren Zwanzigern und arbeitet neben dem Studium in einem Job, der aus sehr vielen administrative Aufgaben besteht. „70 Prozent meiner Arbeit mag ich gar nicht. Viele meiner Tätigkeiten erfüllen mich nicht, oder langweilen mich  sogar. Die Situation hat sich auch während der Pandemie massiv verschlechtert.“

Diese Unzufriedenheit hat sich negativ auf ihr Wohlbefinden ausgewirkt: „Anfangs konnte ich bei dem Gedanken an die Arbeit am nächsten Tag nur schlecht schlafen. Und ich habe viele meiner Freunde mit meinen Arbeitsproblemen vollgejammert. Mittlerweile ist es mir egaler, gleichzeitig gehe ich aber auch mit viel weniger Motivation an die Arbeit heran.“

Einflussfaktoren auf ein gesundes Arbeitsleben

Es gibt verschiedene Gründe, warum wir mit unseren Jobs unzufrieden sind: Überqualifikation, monotone Tätigkeiten oder eine schlechte Unternehmenskultur sind nur ein paar Beispiele. Andreas Kremla arbeitet seit 23 Jahren als Arbeitspsychologe und leitet gemeinsam mit Susanne Hickel „Health Consult“, eine Gesellschaft für Vorsorgemedizin in Wien. Er erklärt, warum manche Tätigkeiten uns unglücklich machen und wie wir den Job finden, der uns gefällt. 

„Die Hygienefaktoren sind die Dinge, die es erwiesenermaßen braucht, um nicht unzufrieden zu sein."

Ob wir mit unserer Arbeit unzufrieden sind, bestimmen sogenannte Hygienefaktoren und Motivatoren. Zweifaktorentheorie nach Frederick Herzberg (https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/zweifaktorentheorie-48072)

„Die Hygienefaktoren sind die Dinge, die es erwiesenermaßen braucht, um nicht unzufrieden zu sein. Sie sind quasi das Fundament, auf dem die Zufriedenheit steht. Dazu gehören unter anderem ein adäquates Arbeitsausmaß bzw. angemessene Entlohnung dafür, intakte Beziehungen zu Kolleg:innen und Vorgesetzen oder Sicherheit,“ erklärt Kremla.

Zu den Motivatoren zählen Arbeitsinhalt, Anerkennung, Erfolg und Wachstum. Aber auch die Frage nach dem „Warum?“ trägt dazu bei, ob wir mit unserer Arbeit zufrieden sind. „Die meisten Menschen suchen in ihrer Arbeit eine gewisse Erfüllung, kurz gesagt, nach einem Sinn. Früher hat es viele monotone Jobs gegeben, die definitiv nicht erfüllend waren. Das ist heute zwar anderes, dennoch mangelt es vielen Menschen an beruflicher Erfüllung“, sagt Kremla. Dies liege nicht zuletzt an den Arbeitgeber:innen: „Ich sehe relativ viele Menschen, die wenig Sinnerfüllung in ihrem Arbeitsleben spüren, ich sehe aber wenig sinnlose Jobs. Da fehlt die Übersetzung, denn den Arbeitnehmer:innen ist oft nicht klar, wofür sie arbeiten. Daher mein Aufruf an alle Führungskräfte: Erklären Sie ihren Mitarbeiter:innen, warum sie tun, was sie tun.“



Die Frage nach dem Spaß

Wenn wir uns dem Sinn der Arbeit zwar bewusst sind, aber die Arbeit einfach keinen Spaß macht, ist es schwer, sich zu motivieren. Das sagt auch Ena: „Ich habe immer versucht, alles so gut wie möglich zu machen. Wenn ich mit dem Ergebnis unzufrieden war, dann habe ich sogar nochmal von vorne angefangen. Jetzt arbeite ich die Sachen nur mehr ab. Ich habe die Arbeitsleistung reduziert, aber arbeite immer noch auf einem Niveau, auf dem das nicht auffällt.“

Arbeitspsychologe Andreas Kremla weiß, wie es sein sollte: „Wenn Sie gesund und glücklich arbeiten wollen, dann brauchen Sie vereinfacht zwei Dinge tun. Erster Schritt: Tun Sie, was Sie lieben – finden Sie eine Tätigkeit, die Sie zumindest großteils erfüllt. Zweiter Schritt: Lieben Sie, was Sie tun: Finden Sie einen Modus, in dem Sie sich auch die nicht so prickelnden Teile dieser Tätigkeit annehmbar machen können“. Das ist in der Realität natürlich nicht immer einfach, da der Arbeitsmarkt auf Wünsche oft keine Rücksicht nimmt.

Mögliche Endstation: Boreout

Der Begriff Boreout tauchte erstmals im Jahr 2007 in der Arbeitspsychologie auf. In ihrem Buch „Diagnose Boreout“ beschreiben die Autoren Philippe Rothlin und Peter R. Werder, wie die Elemente Langeweile und Desinteresse zu einem Boreout führen. 

„Unterforderung ist oft noch tückischer als Überforderung.“

Als Boreout werden unangenehme Zustände, ja sogar Leidenszustände aufgrund von zu wenig oder zu monotoner Arbeit beschrieben. Es ist wichtig zu sagen, dass Boreout keine klinische Diagnose ist, das heißt, dass es kein definiertes Krankheitsbild gibt“, sagt Kremla. Anders als beim Burnout, wo chronische Überforderung herrscht, sind Menschen im Boreout chronisch unterfordert. „Unterforderung ist oft noch tückischer als Überforderung, da Betroffene noch weniger Gestaltungsspielraum haben, um etwas an ihrer Situation zu ändern,“ erzählt Kremla. 

Die beiden Autoren Rothlin und Werder beschreiben eine Leere, die mit der Unterforderung einhergeht, denn Betroffene haben kaum Ziele und Erfolge. Boreout entwickelt sich schleichend und über einen längeren Zeitraum hinweg. Dabei handelt es sich bei Boreout keinesfalls um Faulheit, denn die Menschen werden Rothlin zufolge faul „gemacht“. Das Ergebnis: Wir fühlen uns wie gelähmt, unsere Reaktionsfähigkeit lässt nach und wir können unserer Arbeit nicht mehr wie gewohnt nachgehen.

In der leistungsorientierten Gesellschaft, in der wir leben, ist es für Boreout-Betroffene unangenehm zuzugeben, dass sie sich in der Arbeit langweilen. Sie legen sich Strategien zurecht, um den wahren Zustand zu verschleiern. Sie ziehen ihre Tätigkeiten in die Länge und erledigen über Wochen kleine Portionen ihrer Arbeit. Das geht sogar so weit, dass Betroffene so tun, als wären sie viel beschäftigt. Viele machen sogar Überstunden, um ihr Nichtstun zu verbergen. „Anderen etwas vorzuspielen ist das anstrengendste, was wir tun können. Das führt auch zu Selbstzweifeln. Viele fragen sich: Bin ich jetzt ein:e Betrüger:in?“, so Kremla.

Einen Ausweg finden

Es ist ein Teufelskreis: Die Unzufriedenheit mit der Arbeit mindert gleichzeitig die Motivation, etwas zu ändern. Doch die Aussicht „für immer“ in dieser Situation zu sein, drückt die Stimmung noch weiter und kann psychisch krank machen. „Irgendetwas, das für immer sein sollte, bedeutet Gefangenschaft. Sich als Opfer zu fühlen, ist immer ungesund. Wer den Eindruck hat, im falschen Job zu sein, sollte das zumindest mittelfristig ändern. Dazu muss ich mich und meine Arbeit eine Zeit lang beobachten. Ich kann mir überlegen, welche Schritte ich setzen kann, um wieder zufriedener zu sein. Es kann auch helfen, mit jemand anderem darüber zu sprechen. Das kann ein:e Bekannte:r, Freund:n oder Arbeitskolleg:in sein. Aber auch wir bei Health Consult können helfen, die Arbeitssituation zu verbessern“, sagt Kremla.  

Auf die Frage, wie sich ihre aktuelle Arbeitssituation auf ihr Leben ausgewirkt hat, antwortet Ena: „Ich bin motiviert, mein Studium abzuschließen. Damit ich die Chance habe, etwas anderes zu machen, was mir mehr Spaß macht und nicht mehr von dem Job abhängig zu sein. Es schenkt mir Kraft zu wissen: Ich werde das nicht für immer machen.“ 

*Name von der Redaktion geändert